Silicon Valley, NFTs und grosse Ambitionen: Zwei Lernende erzählen

10.08.2023

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Sightseeing, Strand, Tech-Giganten besuchen: Das gehört auf jede Bucketlist für Silicon Valley. Doch die Lernenden Ian und Robin haben sich anders entschieden. Während ihres Aufenthalts haben sie in nur drei Wochen eine App entwickelt. Sie erzählen von unerwarteten Learnings und vom ungebremsten Optimierungswillen. 

«Wir sind Entwickler, wir wollen etwas schaffen», sagt Ian. Robin nickt energisch. Die beiden sind ganz am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn. Und doch wissen sie genau, was sie vom Arbeitsleben erwarten. Ian (18) und Robin (18) absolvieren ihre Lehre als Applikationsentwickler bei Ergon. Sie hatten die Gelegenheit, drei Wochen im Silicon Valley zu verbringen. Beim sogenannten Berufspraktikum können Schweizer IT-Unternehmen Lernende nach San Francisco schicken. In dieser Zeit sollen die Lernenden Auslandserfahrung sammeln, andere Technologien, Trends und Arbeitsweisen kennenlernen. Die Schweizer Organisation «ExchangePro» hat den Aufenthalt organisiert. Ergon hat ihn finanziert.  

Die Aufgabe

Im Silicon Valley war die Aufgabe, eine App gemeinsam mit drei anderen Jugendlichen zu entwickeln. Von Projektleitung bis zum Programmieren an sich – in ihren Aufgabenbereich fiel alles, was nötig war, um das Projekt umzusetzen. Wer an eine Trockenübung denkt, liegt falsch. Der Auftrag war real. Der Kunde, ein ortsansässiges Tech-Unternehmen, ebenfalls. Auf die Frage, ob Ian und Robin zufrieden sind mit ihrer Arbeit, zucken die beiden mit den Schultern: «Die App funktioniert. Sie sieht gut aus. Keine Bugs.» Fehlt es ihnen etwa an Begeisterung? Das Gegenteil ist der Fall. Ihre Begeisterung fürs Fachgebiet ist so gross, dass sie sich nicht damit zufriedengeben, «nur» einen Auftrag auszuführen.  

Welche Apps braucht die Welt?

Die App hatte den Zweck, E-Books NFT-fähig zu machen. Ein NFT (non-fungible Token) ist der Beweis, dass man ein Objekt gekauft hat. Die Idee des Auftrags: Wer das NFT eines E-Books besitzt, darf das E-Book lesen. Wenn diese Person dieses NFT weiterverkauft, verliert sie ihr Recht, auf das E-Book zuzugreifen. Dieses Recht wird an den neuen Besitzer des NFTs übertragen. Das NFT repräsentiert einen Schlüssel, der den Zugriff aufs E-Book erlaubt. Cleverer Einfall? Nicht, wenn es nach Ian und Robin geht. «Was ist der Sinn davon, ein PDF zu verkaufen? Es verändert sich nicht», sagt Ian. Und Robin fügt hinzu: «Den E-Book-Handel kann man nicht mit gedruckten Büchern vergleichen. Ein PDF verliert nicht an Wert. Warum also sollte man dann noch ein Original kaufen?» Dem Auftraggeber hätten sie ihre Bedenken mitgeteilt und Vorschläge eingebracht, um dem Projekt mehr Relevanz zu verleihen.  

Die Learnings kamen anders als erwartet

Nicht die neuen Programmiersprachen. Nicht die neue Umgebung. Und auch nicht die Tatsache, dass die beiden die komplette Verantwortung fürs Projekt getragen haben. Ihre grössten Herausforderungen? Das Team zu koordinieren und der Austausch mit dem Auftraggeber. «Klar, Programmiersprachen wie Express oder Next.JS React waren neu für uns. Die hatten wir aber schnell im Griff.» Viel anspruchsvoller sei es gewesen, dass Ian und Robin die einzigen Applikationsentwickler im Team waren. «Die anderen Teammitglieder sind Systemtechniker gewesen. Sie programmieren zwar nicht, haben jedoch Kenntnisse in anderen Gebieten», erklärt Ian. Die beiden hätten sich bemüht, ihren Teammitgliedern möglichst viel beizubringen – so etwa die Basics im Programmieren. Um die Kenntnisse aller bestmöglich im Projekt einzusetzen. Zeit durchzuatmen, habe es nicht gegeben.  

Was den Kundenkontakt angeht, hätten sie gelernt, wie wertvoll der persönliche Kontakt für den Projekterfolg ist. Auch, um die gegenseitige Erwartungshaltung zu klären. «Das Verständnis von Zusammenarbeit beim Kunden unterscheidet sich stark von meinem», erzählt Ian. «Ein paar Tage von zu Hause arbeiten, ist cool. Doch die Mitarbeiter:innen unseres Kunden waren ständig im Homeoffice. Ich brauche den persönlichen Austausch. Bei meiner Arbeit in der Schweiz fühle ich mich nie allein.» Zudem seien sich die Lernenden von Ergon gewohnt, ständig mit den Kunden zu kommunizieren und Ideen auszutauschen. «Ich schätze die enge Kundenbeziehung sehr», erzählt Ian. 

Bis zum Schluss Vollgas fürs Projekt

Das Team hat fast ununterbrochen an der App gearbeitet. Am Projektende kam die Ernüchterung: Dem Kunden hätte es gereicht, die Arbeit der Gruppe digital zu erhalten. Ohne physische Präsentation. Für Ian und Robin undenkbar. Sie haben sich für einen angemessenen Projektabschluss eingesetzt. «Ohne richtigen Abschluss wollten wir nicht abreisen», sagt Robin. Und so hätten sie darauf beharrt, eine Präsentation halten zu dürfen – auch wenn sie nicht beim Kunden vor Ort stattfand. Zu fünft haben sie sich auf einem Bett in einem viel zu kleinen Hotelzimmer zusammengezwängt und ihre App per Livestream präsentiert.  

Raum für eigene Gedanken

Der Hype rund um Silicon Valley lässt die beiden kalt. Sie interessiert das Ergebnis ihrer Arbeit. Oder besser gesagt: der Weg dorthin. Im Projekt sei bereits eine Grundlage vorhanden gewesen, auf der sie aufgebaut hätten. Noch lieber hätten sie eigene Lösungswege entwickelt. «Wir möchten nicht einfach Aufgaben abarbeiten. Wir wollen eigene Gedanken formieren», erklärt Robin. Und Ian fügt hinzu: «Wir wollen etwas entwickeln. Das macht uns aus.» Bei Ergon habe er diese Möglichkeit. Er fühle sich nicht als Lernender, sondern als vollständiges Teammitglied. Robin ergänzt: «Ich erhalte gleich viel Respekt wie alle anderen im Team und niemand weist mir mühsame oder langweilige Tickets zu.» Er dürfe Tickets auswählen, die ihn interessieren. Das ermögliche ihm, in neue Themen einzutauchen und seinen Bildungsweg mitzugestalten. 

Und wie geht es weiter?

Für Ian steht erstmal ein Meeting mit Schulfreunden an: «Wir werden uns treffen, um die nächsten Schritte nach der Lehre zu planen. Vielleicht gehen wir ins Militär oder an die Fachhochschule. Wir könnten auch die Passerelle machen, um an der ETH zu studieren.» Fachlich würden ihn die Themen Backend, Appentwicklung und Cloud interessieren. Robin werde nach der Lehre den Militärdienst leisten. Und dann habe er eine Entscheidung zu fällen: «Im Herzen würde ich gerne Musik machen. Aber ob das der richtige Weg wäre?» Wenn er es sich richtig überlege, könne er sich gar keinen anderen Beruf als Entwickler vorstellen. Auch er denke darüber nach, an die Fachhochschule zu gehen oder die Erwachsenen-Matur zu absolvieren. Zudem interessiere ihn die Projektleitung: «Ich stelle es mir extrem spannend vor, ein Projekt von Anfang bis zum Schluss zu begleiten.» 

Streben nach Vollkommenheit

Am Ende des Gesprächs kehren die beiden – gewohnt analytisch – zum Berufspraktikum zurück. Ihnen sei es wichtig, den Organisatoren ein ausführliches und transparentes Feedback zu geben. «Nächstes Jahr werden wieder Lernende ein Berufspraktikum absolvieren. Mithilfe unseres Feedbacks könnte man den Aufenthalt optimieren. Von unseren Erfahrungen können künftige Lernende profitieren», sagt Robin. Und Ian fügt hinzu: «Wir empfehlen ihnen, ein Audio-Tagebuch zu führen. Wir hatten grossen Spass dabei und konnten so zahlreiche Erinnerungen festhalten.»