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Adrian Schmid leitet eHealth Suisse und damit auch die nationale Implementation des elektronischen Patientendossiers (EPD). Obwohl er im Gesundheitswesen gross wurde, ist er erst spät in seiner Karriere hineingerutscht und wurde mit viel Gespür für Menschen zur Branchenkoryphäe. Wie das? Er besticht als Integrator mit scharfem Aussenblick.
Wollten Sie schon immer ins Gesundheitswesen?
Nein, im Gegenteil. Mein Vater war Hausarzt mit Praxis bei uns im Elternhaus, und obwohl ich in diesem Umfeld aufgewachsen bin, entwickelte ich wenig Leidenschaft dafür. Ich wollte einen Beruf mit vielen Freiheiten. So wurde ich Lehrer, dann Journalist und nun bin ich Leiter von eHealth Suisse. Die Wechsel verliefen ungeplant, doch harmonisch.
Es braucht wohl Mut, die Karriere mehrmals zu wechseln.
Ja. Ich bin quasi ein Wiederholungstäter, was Quereinstiege betrifft. Meine Eltern waren beruflich sehr engagiert, also genoss ich viel Selbstständigkeit und widmete mich Themen, die mich interessierten. Langeweile war und ist mir fremd, weil ich sehr offen bin, mich auf neue Ideen einzulassen. Ich habe mir selbst immer viel zugetraut.
Was braucht es abgesehen von Mut, um wichtige Entscheidungen zu treffen?
Es kann helfen, eine ehrliche Meinung einzufordern. «Denkst du, dass ich das kann?» Was kann ich nicht? Und was muss ich noch lernen? Man sollte vor solchen Fragen nicht zurückschrecken, sondern das Feedback von Vertrauenspersonen nutzen, um sich zu reflektieren.
«Leadership bedeutet für mich, ein Gespür für individuelle Stärken zu entwickeln und sie zu fördern, anstatt auf Schwächen herumzureiten.»
Gibt es Parallelen zwischen den drei Berufen?
Mehr als Sie denken. Alle drei brauchen einen gesunden Aussenblick: Sie müssen ihr Zielpublikum konstruktiv betrachten, in ihr Schaffen miteinbeziehen und quasi selbstlos auf deren Bedürfnisse eingehen. Egal, ob Schüler:innen, Leser:innen oder Patient:innen: Die Haltung bleibt gleich. Es ist nur eine Frage der Konstanz.
Wann kam das Gesundheitswesen ins Spiel?
Als ich für die Berner Zeitung schrieb, schob man eines Tages einen Artikel zu mir ab, da ich der Arztsohn war. Es riss sich niemand darum und einer musste es ja machen. Also fing ich an, irgendetwas zu schreiben, und blieb dann dort hängen.
Und wie fanden Sie den Weg zum Bund?
Je länger ich über das Gesundheitswesen schrieb, desto mehr wuchs in mir der Wunsch, einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Ich heuerte als Projektleiter beim Bund an und rutschte in die eHealth-Strategie rein. Dann bot man mir den Aufbau der neuen Geschäftsstelle eHealth Suisse an. Vor allem die Herausforderung reizte mich extrem und ich sagte zu.
Beschreiben Sie bitte Ihre heutige Position.
Ich leite die Geschäftsstelle von eHealth Suisse mit 14 Mitarbeiter:innen seit 2008 und bin verantwortlich für die nationale Koordination bei der Einführung des elektronischen Patientendossiers. Es ist eine klassische Managementaufgabe mit diversen Strängen. Von Organisation über Technologie, Recht und Kommunikation bis hin zu Finanzen. Und viel Politik.
Mit Erfolg: Sie koordinieren ein historisches Projekt.
Historisch ja, aber äusserst komplex. Am Anfang hatten wir noch gar keine Vorstellung davon, was es alles braucht. Der Aufbau des elektronischen Patientendossiers war ein zäher Prozess, der sich über 13 Jahre erstreckt hat. Das Ziel nun langsam zu erreichen, ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl.
Ist das EPD das einzige Projekt von eHealth Suisse?
Es ist das wichtigste Projekt und nimmt 90% unserer Arbeit ein, aber nicht das einzige. Wir bearbeiten weitere Patiententhemen wie z.B. die Optimierung der digitalen Kommunikation aller Parteien im Gesundheitswesen.
Das klingt nach einer wahren Mission.
Oft habe ich das Gefühl, man wird als Patient:in im Gesundheitswesen nicht ernst genommen. Das ist eben mein Aussenblick, um auf die Bedürfnisse des Zielpublikums einzugehen. Für eine Patientenorganisation zu arbeiten, wäre auch spannend.
Wie baut man ein gutes Team auf?
Indem man sich auf die individuellen Fähigkeiten und Grenzen der Mitarbeiter:innen einlässt und ihnen vertraut. Ich gebe ihnen Aufgaben, die ihrer Expertise und Persönlichkeit entsprechen. Leadership bedeutet für mich, ein Gespür für individuelle Stärken zu entwickeln und sie zu fördern, anstatt auf Schwächen herumzureiten.
Apropos Teamwork, wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Ergon?
Konstruktiv und proaktiv. Ihre Mitarbeiter:innen paaren Expertise mit Menschlichkeit und einem Gespür für unsere Bedürfnisse. Sie hören gut zu und verstehen uns. Ergon scheut keine Herausforderungen. Ich bin da ähnlich und darum ist mir das sympathisch.
Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Bei einem Gruppendynamik-Seminar wurde meine Persönlichkeit als «Integrator» eingestuft und ich denke, das bringt es auf den Punkt: Menschen zusammenbringen, ihre Meinungen respektieren und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Ich mache das leidenschaftlich gerne. Und was man gerne tut, in dem ist man gut, nicht?