Smartes Klima für das Haus der Zukunft
Zürich, 12.05.2015 – Gert Brettlecker
Fachartikel für Swiss Engineering vom Mai 2015
Mit dem Smartphone die Wassertemperatur der Dusche einstellen? Mit dem Handy die Eingangstüre öffnen? Im Mehrfamilienhaus Apartimentum in Hamburg wird dies möglich sein – das Internet of Things verschmilzt hier mit dem intelligenten Wohnen. Die HLK-Komponenten im Haus werden über einen Cloud-Dienst zugänglich sein.
«Intelligentes Wohnen» ist einer der Zukunftsmärkte für Internet of Things-Technologien. So boomt der Markt für lernende, mit dem Internet verbundene Thermostaten in den USA. Diese Entwicklung ist getrieben vom Erfolg des von Google übernommenen Unternehmens Nest. Xing-Gründer Lars Hinrichs hat diesen Trend erkannt und will bereits 2015 in einem «Internet of Things»-Haus in Hamburg Menschen das «Mietwohnen als Service» ermöglichen. Sein Mehrfamilienhaus «Apartimentum » wird den Bewohnern eine breite Auswahl an Geräten zur Erhöhung des Wohnkomforts bieten, die mit dem Internet verbunden sind. So werden zum Beispiel die Haustüre, Küchengeräte und sogar die Dusche per Smartphone bedient. Die Temperaturauswahl erfolgt standesgemäss per Nest-Thermostat. Doch neben all diesen Komfortfunktionen tragen die drei vitalen Funktionen eines Hauses, Heizen, Lüften und Kühlen, am meisten zur Energiebilanz und zum Wohnkomfort bei. Geht das Konzept von Lars Hinrichs auf, sind bereits weitere intelligente Mehrfamilienhäuser dieser Art geplant.
HLK in der Cloud
Auf der Suche nach einem kompetenten HLK-Partner ist Lars Hinrichs auf Belimo gestossen, die ihre Produkte schon seit vielen Jahren auf der Basis von Ethernet und verschiedenen anderen Gebäudekommunikationsstandards vernetzt. Aktuell wird diese Entwicklung in Richtung eigener Cloud-Dienste weiter vorangetrieben. Cloud-Dienste können neue oder verbesserte Services anbieten – zum Beispiel auch die Interaktion mit intelligenten Thermostaten von Nest.
Belimo konnte dem Bauherrn die Funktionsweise anhand bereits existierender Prototypen zur Interaktion von eigenen Produkten mit Nest-Geräten aufzeigen. Schon seit längerer Zeit investiert Belimo nicht nur in einzelne intelligente Geräte, sondern konsequent in den Aufbau der intelligenten Softwareplattform «Shared Logic», die vernetzte HLK-Applikationen mit dezentraler Logik ermöglicht. Die Softwareentwicklung dieser Plattform erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Zürcher Softwarehaus Ergon Informatik. Diese Plattform erlaubt, auch neuartige Anwendungen wie das Apartimentum in Hamburg in kurzer Zeit zu realisieren. Der Einsatz von Vorserientechnologie im Apartimentum ist für alle Beteiligten ein Gewinn, da neue technische Möglichkeiten bereits früh in einer realen Umgebung erprobt und erfahren werden. Der Aufbau von «Shared Logic» startete als Pionierprojekt bereits 2005, heute würde man es zeitgemäss als Internet of Things-Plattform bezeichnen.
Lokale Logik
In der Plattform «Shared Logic» ist die Softwareentwicklung der Programmierer von der Entwicklung von HLK-Anwendungen durch HLK-Experten klar getrennt. Diese Entkopplung beschleunigt die Entwicklungsprozesse im HLK-Bereich stark. Neue Ideen müssen nicht umständlich in eine Spezifikation für neue Software gefasst werden, sondern können vom HLK-Experten schnell und einfach selbst realisiert werden. Die HLK-Anwendungen werden in intelligenten Antrieben ausgeführt und erlauben es, die lokale Logik eines Gerätes zu definieren. Neben der lokalen Kommunikation zwischen den Geräten ermöglicht «Shared Logic» auch die Kommunikation zu den Cloud-Diensten. Diese können wiederum Cloud-Dienste anderer Hersteller kontaktieren und damit die Möglichkeiten von «Shared Logic» beliebig erweitern. Neben dem eigenen Raumbediengerät, das direkt an die Hausinstallation angeschlossen ist, kann so z.B. auch ein Nest-Thermostat integriert werden, ohne dass die HLK-Anwendung gross angepasst werden muss. Zusätzlich zur Integration von Sensoren sind durch die Vernetzung mit Cloud-Diensten auch Langzeitauswertungen und komfortable Benutzerschnittstellen wie z.B. eine Smartphone-App oder Remote-Support möglich.
Online vs. offline
Viele «Internet of Things»-Produkte gehen von einer «always connected»-Welt aus. In der Realität gibt es aber durchaus Situationen ohne Internetverbindung. Dies kann ein kurzfristiger Ausfall sein, ein Gebäude ohne Internetzugang in einer abgelegenen Region der Erde oder auf einer Baustelle. Die Geräte müssen in all diesen Situationen ihre Grundfunktionen gewährleisten – denn die Bewohner eines Hauses sollen auch bei einem kurzfristigen Ausfall des Internets weiterhin ihre Heizung steuern können. Letztlich müssen die HLK-Geräte schon auf der Baustelle funktionieren. Die Inbetriebnahme soll sich hier möglichst einfach gestalten und ohne Internet möglich sein. Um dies zu gewährleisten, bietet «Shared Logic» einerseits die Möglichkeit, die notwendige lokale Logik für das intelligente Verhalten im Offline-Fall zu realisieren und gleichzeitig erweiterte Funktionen für den Online-Fall bereitzustellen. So kann zum Beispiel mit einem NFC-Smartphone auf der Baustelle temporärer Internetzugang hergestellt werden. Schnell erkennt man, dass die Kombination von Cloud-Diensten und lokaler Intelligenz den Schlüssel zur Lösung mit «Shared Logic» bildet.
Geschäftsmodelle für die Cloud
Bei Millionen potenziell vernetzter Belimo-Geräte weltweit drängt sich eine solide Cloud-Lösung auf. Für ein Industrieunternehmen ist der Aufbau eines eigenen Cloud-Dienstes aber ein neues Feld. Die interne IT hat zwar ihre Systeme bestens im Griff. Cloud-Dienste mit 7x24-Betrieb und weltweiter Verfügbarkeit sprengen jedoch den Rahmen ihrer Kapazität und ihres bisherigen Erfahrungsschatzes. Neben dem gesicherten Betrieb ist der eigentliche Business Case der Cloud von grösster Bedeutung. Wie können die Investitionen in Zukunft amortisiert werden? Belimo hat sich in den letzten Jahren vom Anbieter einfacher Stellantriebe zum Lieferanten intelligenter Geräte, sogenannter «Performance Devices», entwickelt. Ein Beispiel ist das Energy Valve, das ebenfalls auf Basis von Shared Logic entwickelt wurde: Dessen Kern ist ein intelligenter Regelalgorithmus, der beim Heizen und Kühlen von Gebäuden Energie spart. Der volle Nutzen für die Kunden entsteht durch die Vernetzung von eigenen Cloud-Diensten mit denen anderer Hersteller. Hier sind gute Partnerschaften für die Zukunft wichtig.
Gert Brettlecker, Teamleiter und Technologieverantwortlicher Enterprise Solutions, Ergon Informatik AG