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Vertrauen erfüllt wichtige Funktionen in der Arbeitswelt und hat grosses Potenzial, den Herausforderungen des Wandels sowie der beschleunigten Digitalisierung zu begegnen. Es ist eine positive Erwartungshaltung, fördert das Gefühl von Sicherheit und erhöht gleichzeitig die Autonomie der eigenen Arbeit. Gerade heute, da verschiedenste Prioritäten in Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Menschen stehen, müssen Organisationen präzise Aussagen machen, um sich Vertrauen zu verdienen und es zu wahren.
Unternehmen sind als Teil des digitalen Wandels mit neuen sozioökonomischen Gegebenheiten, erweiterten Interaktionsformen, schnellerem und flexiblerem Arbeiten sowie globalen Kooperationen konfrontiert. Diese Herausforderungen anzunehmen, ist eine zentrale Voraussetzung für Fortschritt in der Organisationsführung. Als Schlüsselkomponente für Erfolg wird in diesem Zusammenhang immer wieder Vertrauen genannt. Vertrauen ermöglicht den Umgang mit der Komplexität neuer Arbeitsformen, in dem es Führungskräfte wie auch Mitarbeiter:innen befähigt, positive Erwartungen zu entwickeln. Es erhöht die Bereitschaft, Risiken einzugehen und Unsicherheiten zu überwinden. Vertrauen bildet auch die Grundlage für Teamerfolg und gewinnt bei örtlicher Distanz zusätzlich an Bedeutung.
Mit der Ausbreitung der Pandemie wurde ein Zeitalter von virtueller Produktivität und Fernarbeit eingeläutet, wie es vor kurzem in diesem Ausmass noch undenkbar war. Gemäss einer Untersuchung des Analysten-Hauses Gartner verpflichteten oder ermutigten 88 Prozent der Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen, im Homeoffice zu arbeiten. Zuvor waren nur ungefähr zehn Prozent remote tätig. Unabhängig von der Pandemie werden es in Zukunft voraussichtlich mehr als ein Drittel sein. Viele Firmen dürften sogar noch stärker auf Fernarbeit setzen, Büroräumlichkeiten abbauen und gemäss Statista bis zu 65 Prozent der Belegschaft von einem externen Arbeitsplatz arbeiten lassen.
Vertrauen trotz Distanz
Da mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten, haben einige Arbeitgeber ihre Massnahmen zur digitalen Überwachung verschärft. Ohne Büropräsenz schwinden die Möglichkeiten zur Kontrolle. Selbst wenn die Angestellten Höchstleistungen erbringen, wird ihnen nicht immer vertraut. Die Unternehmen wollen sicher sein, dass ihre Mitarbeiter:innen tatsächlich produktiv sind, z. B. indem sie Software verwenden, die Tastenanschläge, Mausbewegungen oder besuchte Websites verfolgen. All dies kann mit dem Output individueller Personen abgeglichen werden, um Rückschlüsse auf deren Produktivität zu ziehen. Doch ist dies sinnvoll und vertrauensfördernd? Kontrolle führt zu Micro-Management, Unzufriedenheit bei den Mitarbeiter:innen und einem höheren Stresslevel für alle. Wichtiger als kurzfristige Produktivitätserhebungen ist die mentale Gesundheit. Wer sich gut fühlt, leistet von sich aus mehr. Ausserdem ist Kontrollieren wesentlich aufwendiger als Vertrauen.
Mit der Etablierung von Remote- und Hybrid-Arbeit werden Organisationen zusätzlich mit diversen Begleiterscheinungen konfrontiert, unter denen die Beziehungspflege leiden kann: eine Tendenz zu Silos, nur punktueller Informationsaustausch, reduzierte Kommunikation, ungelöste Konflikte und kulturelle Entfremdung der Belegschaft zum Unternehmen. Der Kontext einer Kommunikationsabsicht in E-Mails und anderen digitalen Kanälen kann schnell verloren gehen oder die Tonalität missinterpretiert werden. In örtlich getrennten Teams kann zudem die Transparenz der Entscheidungsfindung erschwert und beeinträchtigt sein. All dies kann sich negativ auf die Moral auswirken, die Arbeit verlangsamen, den Teamgeist stören und letztendlich die Leistung der gesamten Organisation beeinträchtigen.
Die Erfahrung zeigt, dass leistungsstarke Teams ein höheres Mass an Vertrauen aufweisen als weniger erfolgreiche Teams. Vertrauen als Grundlage für den Teamerfolg zu fordern und fördern wird daher an Bedeutung zunehmen. Doch welche Möglichkeiten haben Führungskräfte, das Vertrauen im Unternehmen zu stärken?
«Vertrauen ermöglicht den Umgang mit der Komplexität neuer Arbeitsformen, in dem es Führungskräfte wie auch Mitarbeiter:innen befähigt, positive Erwartungen zu entwickeln.»
Leidenschaft, Kompetenz und Authentizität
Viele Firmen wurden einst ins Leben gerufen, weil ihre Gründer:innen die brennende Leidenschaft hatten, «es» schlichtweg besser zu machen als die anderen. Ihre Vision ist es, etwas zu bewirken und einen echten Unterschied zu erzielen, indem sie ein besseres Produkt, eine bessere Dienstleistung oder ihrer Kundschaft ein besseres Erlebnis bieten als andere zuvor. In vielen Fällen wollten sie auch die Führungskraft sein, die sie selber nie hatten, sich jedoch immer wünschten. Diese Gründer:innen umgeben sich mit Gleichgesinnten: Menschen, die an die gleiche Vision glauben und sich mit ihrem «Why» identifizieren.
Leidenschaft ist wie Vertrauen schwer zu quantifizieren. Doch in den meisten Fällen erkennt man sie an der Energie, die die Menschen ausstrahlen, wenn sie ihre Botschaft teilen.
Die Leidenschaftlichen scheinen alles zu haben: Liebe für ihr Handeln, eine grossartige Erfolgsbilanz und die Gabe, vermeintlich Unmögliches zu schaffen. Sie begeistern und reissen mit. Führungskräfte sollen daher ihr Umfeld dazu inspirieren, sich selbst – und damit auch das Unternehmen – zu Höchstleistungen zu bringen. Dazu gehört, dies selbst vorzuleben und mit gutem Beispiel voranzugehen.
Geteilte Leidenschaft und Verbundenheit mit Personen, Unternehmen, Produkten oder Dienstleistungen führen zu Vertrauen. Ob Kund:in oder Mitarbeiter:in – wer sich mit einem Unternehmen und dessen Angebot identifiziert, ist bereit zuzuhören und interessiert, mit dem Unternehmen zu interagieren: sei es, einen Kauf zu tätigen, eine Geschäftsbeziehung oder ein Arbeitsverhältnis einzugehen.
Fokus und Klarheit
In der heutigen Zeit der digitalen Überlast ist langfristige Aufmerksamkeit eine echte Herausforderung. Umso wichtiger ist der nachhaltige Aufbau einer emotionalen Bindung zur Beleg- und Kundschaft.
Viele Mitarbeiter:innen sind durch die Pandemie gestresst und arbeiten mehr als früher. Neuen Untersuchungen von FlexJobs und Mental Health America (MHA) zufolge ist mehr als die Hälfte überlastet und fast 40 Prozent erschöpft. Führungskräfte müssen sich daher darüber im Klaren sein, welche Verantwortung sie tragen, wofür sie stehen und was sie erwarten, damit sie Absichten mit Präzision und Glaubwürdigkeit kommunizieren können. Klarer Fokus ist zudem eine nützliche Möglichkeit, die verfügbare Zeit und Aufmerksamkeit der Belegschaft zu würdigen. Ziele und Erwartungen sollen so definiert sein, damit sich die Mitarbeiter:innen sicher fühlen und darauf vertrauen können, dass ihr Einsatz Mehrwert bringt und dass alle am gleichen Strang ziehen. Sie möchten sich als Teil der Zukunftsgestaltung des Unternehmens und dessen Produkten und Dienstleistungen fühlen. Gerade in Zeiten der Unsicherheit wollen sie sich in ihrem Umfeld geborgen fühlen und wissen, was sie von ihren Mitmenschen erwarten können. Klarheit gepaart mit Fokus schafft Vertrauen, um erfolgreich in die Zukunft zu schreiten.
Es ist entscheidend zu verstehen, wodurch sich die Qualität eines Unternehmens auszeichnet, was die Beleg- und Kundschaft erwartet, und diese Erwartungen jedes Mal zu erfüllen. Dies erreicht man mit kontinuierlichem Austausch, Offenheit und regelmässigem Feedback. Es sollte allen gleichermassen möglich sein, Feedback zu geben – sowohl konstruktiv als auch motivierend. Ausserdem sollte es einfach sein, mit dem Unternehmen Geschäfte zu machen und es bei Gefallen weiterzuempfehlen.
Wiederherstellung und Entwicklung
Organisationen müssen sich ihren Mitarbeiter:innen mit einem Ansatz präsentieren, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht und die bewältigten Herausforderungen des vergangenen Jahres anerkannt werden. Gleichzeitig gilt es, die Innovationen, Erkenntnisse und Errungenschaften, die als Reaktion auf die Pandemie entstanden sind, festzuhalten und gemeinsam zu feiern.
Es ist wichtig, Wachstum und Resilienz gleichermassen zu beachten wie auch die Rehabilitation, denn es wird viel über die grosse Belastung durch dieses Pandemie-Jahr gesprochen. Tatsache ist, dass daraus auch Kraft geschöpft werden kann. Biologisch gesehen ist die Menschheit eher für posttraumatisches Wachstum prädestiniert, denn gemäss der Evolutionswissenschaft setzen sich die Anpassungsfähigen durch, können wachsen und sich entwickeln.
Als Teil ihrer Vertrauensstrategie sollten sich Organisationen also fragen: Wie können die Erkenntnisse zusätzlich zur Weiterentwicklung genutzt werden? Diejenigen, die ein Licht auf die Erfolge und Fortschritte, aber auch auf die Misserfolge werfen können, werden daraus lernen und wachsen. Gute Führung erfordert Charakterstärke und die Entschlossenheit, das Richtige zur richtigen Zeit und aus dem richtigen Grund zu tun. Ausgesprochene Versprechen einzuhalten und umzusetzen, ist entscheidend und vertrauensfördernd.
Ehrliches Interesse und Wohlwollen demonstrieren
Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, dass das Vertrauen seitens der Mitarbeiter:innen durch die Pandemie sinkt – doch dem muss nicht so sein. Die Unternehmen mit hoher Authentizität und wirklich fürsorglichen Absichten können das Vertrauen sogar erhöhen. Sie zeigen den Menschen, dass man sich interessiert und um sie kümmert.
Doch wie kann man Fürsorge spürbar machen? Mit einer klaren Absichtserklärung, an der man darauffolgende Handlungen messen kann, lässt sich die Verantwortlichkeit für das Vertrauen fest verankern. Dadurch wird zudem sichergestellt, dass Absichten transparent kommuniziert sind und niemand an den Motiven zweifelt. Daher ist es ratsam, sich zu überlegen, wie man aufzeigen kann, dass man seine Mitmenschen tatsächlich an die erste Stelle setzt. Danach gilt es, Massnahmen zu ergreifen, die diesen Versprechen gerecht werden.
Unternehmen, die sich nicht kümmern, können schwerlich erwarten, dass sich Mitarbeiter:innen um deren Agenda kümmern, nur weil sie ein Gehalt bekommen. Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und Verständnis sind wichtige Eigenschaften, um Verbundenheit zu schaffen. Unternehmen sollten den Mitarbeiter:innen zeigen, dass sie ihnen vertrauen – und zwar jenseits der konventionellen Umgebung und Aufsicht im Büro. Denn: Je mehr Vertrauen geschenkt wird, desto mehr kommt zurück.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Gabriela Keller, CEO von Ergon.