Dieses Interview ist Teil des Ergon-Magazins SMART insights 2020. Magazin kostenlos bestellen ->
Die Vielfalt an modernen Technologien ist gross, ein überstürzter Einsatz nicht unbedingt richtig. Scheitern kann es aber auch an einem in Stein gemeisselten Status Quo. Gelingen wird es mit den richtigen Ideen zum richtigen Zeitpunkt und mit Mut, sich aus der Konstanz zu wagen.
Was sind deine Aufgaben bei Ergon?
Ich bin Softwareentwickler, kenne mich gut aus mit Architekturthemen, im Cloud-Umfeld und mit verteilten Systemen und bin aktiv in verschiedenen internen Technologie-Gremien zum Wissensaustausch.
Du warst eine treibende Kraft, Microservices im Ergon-Portfolio zu etablieren. Wie darf man sich diesen Weg vorstellen?
Ich interessiere mich für gängige Trend-Themen und habe in diesem Sinne schon viel zum Thema Microservices in Erfahrung gebracht. Im Rahmen einer Analyse als Tech-Verantwortlicher hatte ich evaluiert, dass es in gewissen Fällen ein wichtiges Zukunftsmodell für unsere Kunden sein könnte. Um mein Wissen weiter zu vertiefen, habe ich mich in meinem Sabbatical auf das Thema fokussiert und einen Blueprint erstellt.
Und mit dem gesammelten Wissen ging’s dann ins nächste Kundenprojekt?
Nein, so einfach ist das natürlich nicht, Innovation braucht Zeit. Ich überlege mir sehr gut, zu welchem Projekt ich was wann vorschlage – es muss stimmen und einen konkreten Mehrwert liefern und im Interesse des Kunden sein. Aber auch der Kunde muss stimmen, und das Risiko vertretbar sein. In diesem konkreten Fall dauerte es zwei Jahre, bis ein passendes Projekt gefunden war.
Klingt nach einem Geduldsspiel. Warst du nicht enttäuscht, dass es so lang ging?
Doch natürlich, vor allem weil Trends wie Cloud damals vermuten liessen, dass es so etwas wie Microservices viel schneller braucht und ich hatte das Gefühl, wir müssten uns beeilen. Aber nur um des Innovationswillens eine neue Technologie einbringen, passt nicht in jedes Projekt, wir verantworten schliesslich die betriebliche Sicherheit und garantieren Qualität. Mein Vorschlag erforderte interne und externe Überzeugungsarbeit. Nicht nur ich challengte die aktuelle Vorgehensweise, sondern auch mein Vorschlag, eine Microservices-Architektur einzusetzen, wurde auf Herz und Nieren geprüft.
Heisst das, wer innovativ sein will, liefert keine gute Qualität?
Das würde ich so nicht sagen, doch jeder Wechsel zu etwas Neuem kommt ohne Konstanz und Erfahrungswerte. Man hat noch nichts aus vorgängigen Projekten lernen und adaptieren können. Ein gewisses Risiko besteht, aber gerade deshalb eignet man sich das technische Know-How vorher an und prüft genau, ob Kunde und Projekt für das Vorhaben passen. Wenn die laufende Lösung den Kunden glücklich macht, ist das wichtiger als zu sagen, ich habe etwas gemacht, das innovativ war.
Innovationsführer oder solide und verlässlich – was ist jetzt der bessere Weg?
Ich denke es kommt stark auf die Ausgangslage an. Generisch betrachtet würde ich sagen eine Balance aus beidem, sozusagen der Mittelweg. Den schnellen Wechslern fehlt die Konstanz, die Zurückhaltenden warten meist, bis sie 100 Prozent überzeugt sind oder der Druck da ist, weil die bisherige Lösung nicht mehr funktioniert. Manchmal kann man auch zu lange warten und den Innovations-Zug verpassen. Der innovative Teil ist das, was irgendwo dazwischen ist. Der Anspruch muss sein, immer die beste Lösung für die gegebenen Umstände zu schaffen und nicht mit einer Veränderung warten, bis man an den Punkt kommt, wo es wirklich ein Zwang ist.
Was muss eine Organisation deiner Meinung nach für einen Rahmen bieten, um Innovation zu ermöglichen?
Es braucht Zeit und eine gute Plattform für offenen und respektvollen Austausch. Und Personen mit der Fähigkeit, sich vom alltäglichen Jetztproblem zu lösen, um sich auf die Diskussion einzulassen «was wäre die beste Lösung mit dem grössten Mehrwert, unabhängig von Zeit- und Budgetgrenzen».
Bist du jemand, der das kann?
Ich denke schon, versuche es zumindest kontinuierlich. Es fällt mir natürlich schwer, wenn ich in Projekten drin bin, mit dem notwendigen Abstand auf das Ganze zu schauen. Und den Faktor Zeit darf man natürlich auch nicht unterschätzen.
Stand Micro-Service-Architektur bei Ergon – bist du zufrieden?
Wir haben bei vielen Projekten einen Anfang gemacht, bei einigen sind wir auch schon fortgeschritten. Mittlerweile gibt es bei uns einige Personen mit Erfahrung auf dem Gebiet. Besonders freut mich natürlich, wenn Leute, bei denen ich am Anfang grossen Widerstand spürte, jetzt auf mich zukommen und sagen, dass sie Microservices erfolgreich anwenden.
Warum profitiert ein Unternehmen von einem Querdenker?
Einher mit der Digitalisierung kommt eine verstärkte Vernetzung, von Systemen und Themengebieten. Man kann sich weniger auf die Erfahrung abstützen, gewohnte Konzepte müssen aufgebrochen und hinterfragt werden. Querdenker vermögen diese Knoten zu lösen oder zumindest zu lockern. Es bedarf allerdings auch einer Offenheit aller, sich gegenteilige Ansichten anzuhören.
Dieses Interview ist Teil der Serie «Querdenker» im SMART insights 2020. Eine Übersicht mit allen Interviews finden Sie hier.