Die Kunst der Geschäftsarchitektur

16.07.2020

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Das Amt für Jugend und Berufsberatung des Kantons Zürich hat sich zum Ziel gesetzt, seine Dienstleistungen im Zuge der Digitalisierung kundengerecht und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Doch was sind die Voraussetzungen hierfür? Jean-Claude Nüsperli, Head of Application Management, über Sinn und Unsinn von Zentralisierung, steigende Diversität der Gesellschaft und wie ein Mondrian die Zukunft beeinflusst.

Mit über 1000 Mitarbeitern ist das Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) eines der grössten Ämter im Kanton Zürich. An 28 Standorten informieren, beraten und unterstützen Fachpersonen aus den Bereichen Berufsberatung, Soziale Arbeit, Erziehungs- und Mütter- und Väterberatung die Zürcher Bevölkerung rund um die Themen Familie und Beruf. Doch obwohl sich diese Leistungen stark ähneln, kommen viele unterschiedliche IT-Systeme zur Anwendung. Dieser «Applikations-Wildwuchs» stellt für die digitale Transformation eine grosse Herausforderung dar.

Welche Applikationen sind für den Kanton und welche für die im ganzen Kanton verteilten Standorte relevant? Das Amt für Informatik liefert zwar die Basisinfrastruktur und das Access Management, doch die Herausforderung liegt in der Verschmelzung der Universen. Wie vereint man innovative Funktionalitäten, verschiedene Geschäftsfelder und amtsübergreifende Anforderungen?

Aus technischer Sicht bedeutet Digitalisierung vor allem zentrale Datenspeicherung, durchgehende Prozesse und integrierte Systeme. Nüsperli selbst glaubt an die goldene Mitte zwischen Zentralisierung und Autonomie der Fachstellen – wenn das operative Geschäft floriert, sollte man es durch Zentralisierungsbestrebungen nicht gefährden. Wiederum für jedes Amt eine eigene technologische Lösung zu schaffen, ist weder ressourcenschonend noch kundenfreundlich. «Um zu verstehen, wie sich Kunden durch unsere verschiedenen Angebote und Kanäle bewegen und ihnen den Weg möglichst zu ebnen, müssen wir das gesamte System im Auge behalten. Das verlangt nach IT-Plattformen, die unserem diversifizierten Angebot mit der erforderlichen Flexibilität gerecht werden. Erst dann ist eine effiziente und attraktive Customer Journey möglich.»

Vision «nextAJB»

Eine zeitgemässe, kundenorientierte Infrastruktur, effizienter und sicherer Datenaustausch sowie ein hohes Mass an Unabhängigkeit und Flexibilität für die Ämter sind die Ansprüche. Doch wie navigiert man in einem solch komplexen Umfeld? Und wie schafft man adäquate Lösungen?

Die Geschäftsleitung des AJB wählte ein vorausschauendes Vorgehen und setzte sich als Erstes mit den für das AJB relevanten gesellschaftlichen Veränderungen, den sogenannten Megatrends, vertieft auseinander. Darauf aufbauend wurde ein Zukunftsbild des AJB gezeichnet und Ideen zur Weiterentwicklung der bestehenden AJB-Dienstleistungen formuliert. So entstand die Vision «nextAJB».

Von den identifizierten Megatrends haben einige, wie Digitalisierung oder Multimobilität, einen direkten Einfluss auf bestehende Prozessabläufe und damit auf Systeme und Technologien. Manche bedingen gar neue Plattformen und Architekturen.

Ein weiterer wichtiger Trend, der die Arbeit des AJB direkt beeinflusst, ist die steigende Diversität der Gesellschaft. Allein schon bei den Familienmodellen, die heute oft diverser sind als die klassische Kernfamilie mit Mama, Papa und Kindern. Wenn die Familie neu aus einem Netzwerk von Bezugspersonen und Erziehenden besteht – wer gehört dann zur Ziel- bzw. Anspruchsgruppe? Nüsperli sagt: «Neue Rollen, Beziehungen und Bedarfe entstehen, was unsere Arbeit ändert, sei es in der Beratung oder auch in der Administration. Wir müssen in der Lage sein, solch neue Rollen abbilden zu können.»

Die Tücken der Zentralisierung

Vergangene Lösungen mussten primär den veränderten internen Anforderungen gerecht werden. Heutzutage rücken Kundenanforderungen ins Zentrum und das Öffnen von Schnittstellen soll zum Erfolg beitragen. Doch es gibt viele juristische Hürden, die berücksichtigt werden müssen und unzählige Abklärungen und Gespräche mit etlichen Interessengruppen erfordern. Gute Beziehungen zu allen involvierten Fachstellen sind essenziell, um offene Dialoge, eine gemeinsame Richtung sowie ein geteiltes Ziel zu definieren.

Beispiel: Eine Person ist in der Trennung und braucht eine Rechtsberatung, also nimmt das AJB ihre Stammdaten auf. Sie war als Jugendliche in der Berufsberatung, doch diese Daten sind in einem anderen System, und die beiden Systeme kennen sich nicht. Der administrative Aufwand für die mehrfache Erfassung ist gross. «Ergon hat uns klar gemacht, was wir optimieren müssen, und so entwickelten wir gemeinsam die Geschäftsarchitektur, sprich unseren eigenen Mondrian», so Nüsperli.

Jean-Claude Nüsperli, AJB

«Um zu ver­stehen, wie sich Kunden durch unsere verschiedenen Angebote und Kanäle bewegen und ihnen den Weg möglichst zu ebnen, müssen wir das gesamte System im Auge behalten.»

Jean-Claude Nüsperli Head of Application Management, Amt für Jugend und Berufsberatung, Kanton Zürich

Die Kunst, alle zu begeistern

Die Geschäftsarchitektur verschafft einen ganzheitlichen Blick auf die Rolle der IT im Unternehmen und beschreibt deren Zusammenspiel mit dem Kerngeschäft. Sie zeigt eine Übersicht von Systemen, Prozessen und Nutzen auf allen Ebenen. Den Namen Mondrian erhielt der Plan, weil er von Weitem aussieht wie ein Gemälde des Künstlers Mondrian – eine Struktur mit schwarzem Raster, verbunden mit rechteckigen farbigen Flächen.

Für ein gemeinsames Verständnis wurden Vertreter verschiedener Fachbereiche an einen Tisch geholt. Anhand des Mondrians wurden die unterschiedlichen Sichtweisen veranschaulicht und für jeden schnell fassbar gemacht. Aus Pain Points wurden Chancen, aus Chancen wiederum greifbare Resultate. Eine Win-win-Situation für alle.

Nüsperli betont: «Wir haben ein Framework mit Informatik- wie auch Datenarchitektur über die ganze Organisation hinweg geschaffen. Dieser Ansatz hat auch entscheidende Impulse für die Geschäftsarchitektur E-Government über alle Direktionen des Kantons hinweg gegeben. Nun interessieren sich auch Stellen in anderen Kantonen wie Bern dafür. Es ist motivierend, zu sehen, wie etwas Kleines wächst und plötzlich alle davon reden.»

Interessengruppen involvieren

Das AJB gründete eine Architekturgruppe, die mit den Prozessen vertraut war, aber keine Mitarbeiter aus den Fachstellen beinhaltete. Für ein umfassendes Verständnis war es daher wichtig, die detaillierten Bedürfnisse und Arbeitsabläufe dieser Fachstellen zu kennen. Aufschluss gab eine User Research in Form einer Arbeitsplatzbeobachtung.

Das führte zu Erkenntnissen, die sich das AJB nicht hätte träumen lassen. Das AJB arbeitet seit drei Jahren mit dem Mondrian und es gab wohl selten ein IT-Projekt, das so viel Enthusiasmus bei den Beteiligten geweckt hat. Und das sei erst der Anfang. Die Fachabteilungen sollen eines Tages die Applikationen selbst entwickeln. Das klingt utopisch, aber vor 20 Jahren wurden Websites auch nur von Programmierern entwickelt; heute machen das die Anwender selbst innert weniger Minuten mit Jimdo. «Mit unseren Fachapplikationen soll es ähnlich werden. Entschlossenheit und Agilität bahnen unseren Weg in die Zukunft», erklärt Nüsperli.

Loslassen heisst die Devise

Für eine neue Geschäftsarchitektur muss man losgelöst denken können; nicht gleich über Applikationen reden, sondern sich erst von Altem lösen. Loslassen ist so wichtig für die Digitalisierung wie fürs Leben, denn es hält jung und man lernt ständig etwas Neues. Just do it.

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Das konstante Lernen von kompetenten Menschen ist meine grösste Inspiration, egal ob Arbeitskollegen oder Dienstleister. Gute Freunde sind auch wichtig – von ihnen lernt man mehr, als man denkt.

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Egal was für ein Technologie-Crack jemand ist, wenn ich die Person nicht mag, dann funktioniert es nicht. Das gilt auch für Firmen. Sympathie ist ein Kernfaktor für nachhaltige Partnerschaften. Mit Ergon arbeite ich auf Augenhöhe.

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