Neues Angebot für Software-Tester

16.02.2018 – Roland Weber

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Gastbeitrag für Computerworld vom 16. Februar 2018

Das Berufsbild des Software-Testers hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Leider erfüllen viele Ausbildungsgänge nicht die aktuellen Anforderungen des Marktes. Die Hochschule Rapperswil will das ändern.

Funktioniert unsere Software, wie wir sie geplant haben? Diese Frage stellte sich mir, als ich vor vielen Jahren als junger Ingenieur erste Erfahrungen im Software Testing sammelte. Unsere Aufgabe als Tester war es, technisch ausgedrückt, Abweichungen zum geplanten Idealzustand zu identifizieren. Angeleitet hat uns der inzwischen abgelöste ISO-Standard 829. Unsere Mission war die Verbesserung von Qualität, indem wir Bugs eliminierten. Wir massen die Qualität anhand einfacher Kennzahlen, zum Beispiel die Anzahl im Test gefundener Fehler. Dahinter stand die Haltung: Mit einem konsequent strukturierten Vorgehen wird Qualität beherrschbar. Von uns Testern erwartete man nur minimales fachliches Know-how. Dafür verlangten unsere Vorgesetzten ein gewisses organisatorisches Geschick und die Kenntnisse einiger nützlicher Testmethoden.

Neue Anforderungen verändern den Beruf

Dies änderte sich markant, als das Context-Driven Testing aufkam. Dieses legt den Fokus auf die Wertschöpfung von Software. Die Prüfung einer Software wird hierbei stark an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet. Denn was nützt eine systematisch getestete Software, die aufgrund eines Spezifikationsfehlers das zentrale Bedürfnis des Kunden schlecht abdeckt? Solche grundlegenden Fehler entziehen sich dem traditionellen Testvorgehen.

Testing ist weniger ein linear planbarer Prozess, sondern eine Art Entdeckungsreise in unbekannte Gebiete. Wissen über Markt und Einsatzkontext unserer Software sowie vertiefte fachliche Kenntnisse werden dabei wichtig. Die bevorzugten Werkzeuge der Context-Driven Tester sind explorative Tests (Prüfungen ohne vorgegebene Testfälle) und Session Based Test Management. Die Sessions dauern zwischen einer und wenigen Stunden. Die Resultate nutzen wir, um das weitere Vorgehen kontinuierlich an die neuen Erkenntnisse anzupassen. Früher erlernte Testmethoden erweitern wir laufend um neue Techniken. Dadurch wird die Arbeit anspruchsvoller. So wird etwa das Design von Tests nicht mehr zuvor geplant, sondern geschieht kontinuierlich während unserer Tests.

Zu wenig Ausbildungsmöglichkeiten

Der Testerberuf ist anspruchsvoll und relevant für den Erfolg eines Softwareprojekts. Dennoch wird Testing von vielen noch immer als eine Softwareengineering-Disziplin zweiter Klasse betrachtet. Diese Haltung spiegelt sich auch im aktuellen Aus- und Weiterbildungsangebot für Softwaretester. Eine kurze Suche im Internet zeigt ernüchternde Resultate. Schweizer Hochschulen spielen keine Rolle in der Ausbildung von Testern. Testing ist bestenfalls ein Nebengleis in Softwareengineering-Ausbildungsmodulen. Und schaut man sich die Ausbildungsinhalte genauer an, findet man wenig Relevantes für den tatsächlichen Berufsalltag von Testern. Sie orientieren sich vielfach am dokumenten- und plangetriebenen Vorgehen aus den Gründerzeiten der Disziplin. Das International Software Testing Qualifications Board (ISTQB) mit seinen weltweit standardisierten Lehrplänen und Zertifikaten hat als Pionier diese Lücke mit Erfolg gefüllt. Bis heute sind weltweit über 500’000 Fachleute zertifiziert, darunter auch viele in der Schweiz.

Das Problem: Die verbreiteten Zertifizierungen des ISTQB sind ein Kind ihrer Zeit und werden heute von vielen als wenig zeitgemäss und praxisrelevant wahrgenommen. Das ISTQB ist bemüht, seine Lehrpläne an den veränderten Berufsalltag von Testern anzupassen, zum Beispiel mit dem Modul zum agilen Tester. Aber die international organisierten Prozesse des ISTQB laufen langsam ab, und die assoziierten Schulungsanbieter nehmen Neuerungen nur zögerlich auf. Eine wenig bekannte Alternative zum ISTQB sind die Zertifizierungen des Black Box Software Testing (BBST) der Association for Software Testing. Diese Online-Schulungen stellen Craftmanship in den Mittelpunkt, also das methodische Handwerk und seine situationsgerechte Anwendung. BBST deckt ausgewählte Themen vertieft und praxisrelevant ab, erhebt aber ähnlich wie das ISTQB nicht den Anspruch auf eine umfassende Testing-Ausbildung. Wie man diese Zertifizierungsprogramme auch immer einschätzt, der Erfolg des ISTQB zeigt, dass Bedarf für professionelle Weiterbildung von Softwaretestern besteht, und dies auch in der Schweiz.

Anforderungen steigen

Die Gründe liegen auf der Hand: Die agile Softwareentwicklung hat sich als Antwort auf immer komplexere Projekte etabliert. Ihr Fokus auf die Lieferung von nutzbringender Funktionalität in kleinen Produktinkrementen verändert die Arbeit der Tester. Der abschliessende Releasetest von damals verliert an Bedeutung. Testing liefert vielmehr zeitnahes Feedback zum aktuellen Entwicklungsstand und wird für die agile Softwareentwicklung zum unverzichtbaren Bestandteil. Spätestens mit DevOps hat sich der Trend verstärkt. Der Gedanke von Qualität als Teamsache gewinnt an Boden, früher klar gezogene Verantwortlichkeitsgrenzen beginnen sich aufzulösen. Tester sind nicht mehr nachgelagerte Qualitätspolizisten, sondern helfen mit, Qualität von Anfang an in die Lösungen zu bauen.

Dies alles verlangt neue Fertigkeiten von uns Testern: Ein tieferes technisches Verständnis und Vertrautheit mit den im Projekt angewandten Methoden und Technologien. Für den täglichen Austausch auf Augenhöhe mit Entwicklern und anderen Mitarbeitern im Projekt benötigen wir eine gemeinsame Sprache. Unsere Glaubwürdigkeit als kompetente Teammitglieder ist entscheidend für den Erfolg unserer Arbeit. Mit der fortschreitenden Digitalisierung unseres Alltags und stärker vernetzten Systemen steigen auch die Anforderungen an Zuverlässigkeit, Performanz und Sicherheit. Mehr Komplexität zieht neue Qualitätsrisiken nach sich, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Dadurch verändern sich unsere Projekte. Wir entwickeln mit räumlich, organisatorisch und zeitlich getrennten Partnern. Gerade als Tester müssen wir ein Früh-Sensorium entwickeln für Qualitätsprobleme, die sich aus solchen Setups ergeben können. Uns fällt dabei oft die Rolle zu, Fäden zusammenzuhalten, die richtigen Leute zur richtigen Zeit an einen Tisch zu bringen. Die Anforderungen an die organisatorischen, technischen und kommunikativen Fähigkeiten von Testern steigen also weiter.

Neue Tester dringend gesucht

Schweizer Unternehmen sind auf gut ausgebildete Tester angewiesen. Testing wird ohne sie bei steigender Komplexität von Softwarelösungen ineffektiv und teuer. Nur: qualifizierte Tester sind schwierig zu finden. Die Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) hat die Zeichen der Zeit erkannt und plant für 2018 ein Certificate of Advanced Studies (CAS) im Bereich Software Testing.

Diese neue Ausbildung greift die für Tester heute relevanten Themen praxisnah auf. Neben klassischen Grundlagen wie Testmanagement und -design stehen auch Testtechniken im Umfeld von DevOps, IoT-Systemen und von Mobile- und Web-Applikationen auf dem Programm. Einführungen in Security- und Performancetesting runden das Angebot ab. Dieses Weiterbildungsangebot ist ein erster wichtiger Schritt hin zur dringend notwendigen Professionalisierung der Tester-Ausbildung.

Roland Weber baut im Auftrag der HSR Hochschule für Technik Rapperswil das Ausbildungsmodul Test Techniken für das CAS Software Testing auf. Er ist Leiter des Testerteams und Test Engineer bei Ergon Informatik.