Augmented Reality: Wann, wenn nicht jetzt?

06.08.2018

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Das Potential von Augmented und Mixed Reality ist gross. Es lohnt sich, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dessen sind sich die drei Experten einig, die an der Ergon-Veranstaltung Bier, Bytes und Beats Einblicke in das Thema gaben.

«Wer jetzt nicht lernt, sondern erst in drei Jahren damit beginnt, hat verloren.», sagt Dr. Robert Adelmann, Head of UX und Mixed Reality bei Ergon. Denn das Thema Augmented Reality nimmt, getrieben von Milliarden-Investitionen auf der Herstellerseite, immer mehr Fahrt auf. Erste Anwendungen finden sich in der Industrie und Logistik, wo sich ein Servicetechniker mit Hilfe von Head-Mounted-Displays beispielsweise einen Remote Expert zuschalten kann, der ihm für komplexere Problemstellungen Instruktionen gibt. Ein weiteres Beispiel sind Heads-Up-Displays wie Googles Glass-Headset, mit dem ein Logistikmitarbeiter die Barcodes auf Paketen scannen kann, um zusätzliche Informationen zum Inhalt zu erhalten. «Viele der aktuellen AR-Systeme sind eher als Prototypen anzusehen», sagt Adelmann. «Bis die Technologien der Head-Mounted-Displays in der Breite marktreif sind, vergehen noch 2-3 Jahre. Wer jedoch dann erst anfängt zu experimentieren, verpasst den Anschluss.»

Früh üben bringt Startvorteil

Ein Unternehmen, das bereits Erfahrungen mit AR sammelt, ist OPO Oeschger. Das Unternehmen entwickelt und vertreibt Türbeschläge an Schreinereien und weitere B2B-Kunden. Für eine Hausmesse entwickelten sie gemeinsam mit Ergon ein AR-System für das iPad, mit dem die Kunden virtuelle Türdrücker oder Schlüssellöcher realitätsnah auf echten Türen betrachten konnten. Welche Hürden die konkrete Umsetzung so einer AR-Applikation mit sich bringt, weiss David Froidevaux, CIO bei OPO Oeschger: «Eine grosse Herausforderung waren bei uns vor allem die Daten». Denn Grundlage für das System sind Bilder und genaue Abmessungen der Produkte. An diese Daten zu gelangen, ist nicht einfach, denn nicht jeder Hersteller stellt sie gerne zur Verfügung und eine Abmessung durch 3D-Scanner ist zu kostenintensiv. Es gelang OPO Oeschger jedoch, eine strategische Partnerschaft mit einem Türdrücker-Hersteller zu finden. Für die Weiterentwicklung des Systems entschied man sich dazu, gemeinsam mit Ergon Guidelines für die Produktdaten zu erstellen. An diesen Guidelines können sich die Hersteller orientieren und im optimalen Fall ergibt sich daraus für beide Parteien eine Win-Win-Situation.

Unerwartete Schwierigkeiten meistern

«An diesem Beispiel wird sichtbar, warum es so wichtig ist, bereits heute mit den Technologien zu experimentieren», sagt Robert Adelmann, der das Projekt von Seiten Ergon begleitet hat. Denn bis aus dem Pilotprojekt ein echter Business Case wird, tauchen erfahrungsgemäss immer ein paar unerwartete Schwierigkeiten auf, manchmal wie im Fall OPO die fehlenden digitalen Produktdaten seitens der Lieferanten, in anderen Fällen regulatorische Themen, die geklärt werden müssen. «Das Schliessen solcher Lücken dauert einige Zeit, und wer früh genug anfängt, kann als erster die marktreife Geschäftslösung bringen und Wettbewerbsvorteile erzielen.»

«Unsere Kunden reagierten sehr positiv auf die neue Anwendung», sagt Froidevaux. «Es war für sie ein klarer Mehrwert, dass sie die Beschläge an einer echten Tür betrachten konnten und so mit grösserer Sicherheit die richtigen kauften.» Für OPO Oeschger selbst hat die AR-Visualisierung der Türdrücker unter anderem den Vorteil, dass der Verkäufer weniger Beschläge physisch vor Ort mitbringen muss. Auch für die Schreiner könnte eine Weiterentwicklung des Systems grosse Vorteile bringen, können sie doch ihren Kunden zur Vorauswahl der Produkte bereits einen Link schicken, mit dessen Hilfe sie die Produkte anschauen können.

Die Infrastruktur gibt den Takt an

Auch Prof. Markus Stolze von der HSR Hochschule Rapperswil betonte die Wichtigkeit, früh in neue Technologien einzusteigen, «weil Early Adopters den Business Value vor den anderen finden», wie er betont. Aber nicht alle: Er zeigte dies am Beispiel von IBM Simon, dem ersten Smartphone von 1993, 14 Jahre vor dem iPhone. Die Featureliste war perfekt, aber die Infrastruktur wie Netze und Batterien, war noch nicht so weit. Für Anwender, zum Beispiel Versicherungsagenten, war IBM Simon ideal, um sich von der Konkurrenz abzuheben, und sie konnten daraus Wettbewerbsvoteile ziehen. Für IBM als Hersteller hingegen war es, aufgrund der mangelnden Infrastruktur, ein Flop.

Technologien, deren Infrastruktur zuerst erstellt werden muss (z.B. weil Kabel verlegt werden müssen), brauchen ganz lange, bis sie sich durchsetzen können. Das Fernsehen etablierte sich relativ schnell, weil das Radio für die Infrastruktur bereits „vorgearbeitet“ hatte: Als Konsument musste man nur noch die Fernsehkiste kaufen und die Programme konnten dann ausgestrahlt werden. Auch das Smartphone profitierte von der vorausgehenden, längeren Entwicklungsphase bei Mobiltelefonen.

Dass Augmented Reality aber den Sprung in Richtung relevanter Business Cases schafft, davon ist Markus Stolze überzeugt. Das grösste Potential sieht er dort, wo AR – im Unterschied eben zu IBM Simon - in bereits vorhandener, gut ausgebauter Infrastruktur wie Smartphones zur Anwendung kommt: «An diesen Orten wird es sich durchsetzen, denn diese Orte kennen wir bereits, um Informationen abzuholen, und müssen uns nicht umgewöhnen.»

Vom Hype zum Geschäftserfolg

Gemäss Gartner ist das Tal der Tränen im Fall von Augmented Reality bereits durchschritten. Das heisst, man weiss heute, was funktioniert und was nicht, und kann ernsthaft damit zu arbeiten beginnen. «Heute gilt es vor allem, mögliche Tretminen zu verhindern», sagt Stolze. «Nämlich sehr genau hinzuschauen, welche Use Cases man wirklich umsetzen will, wo echte Produktivität möglich wird und ob die Technologie dafür schon heute reif genug ist.»

Augmented Reality als strategisches Thema

Neben Internet of Things und Artificial Intellgience ist Augmented Reality eines der Hauptthemen, die bei Ergon strategisch verankert sind. Aus diesem Grund stellte die Softwarefirma ihre jährliche Veranstaltung Bier, Bytes & Beats unter dieses Motto und gab Einblicke aus Hersteller-, Kunden- und Forschungssicht, gefolgt von einer gemeinsamen Podiumsdiskussion. Das Thema stiess auch bei den Gästen auf grosses Interesse, durfte Ergon am Event doch 50% mehr Teilnehmer begrüssen als im Jahr zuvor.