Industrialisierung der Telekommunikationsbranche

Zürich, 07.07.2012 – Dominik Moser

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Fachbeitrag für den ASUT Bulletin vom Juli 2012

Wichtige Hilfestellung bei der Prozessautomation bieten Standards und Referenzmodelle wie die Frameworx-Suite des TM Forums. Sie bilden die Basis für die Taifun BSS Suite der Zürcher Softwareschmiede Ergon Informatik.

Die TK-, Medien- und IT-Branchen konvergieren zunehmend. Es entstehen neue, innovative Angebote und damit auch neuartige Kooperationen, um Produkte und Dienstleistungen bereitstellen und vermarkten zu können. Daher wächst der Wunsch, Fixkosten, die bei der Leistungserstellung entstehen, auf verschiedene Produktarten oder Servicebereiche umzulegen. Vorbild ist die Automobilindustrie. Was sie mit «lean production» und «mass customization» vorgemacht hat, will die TK-Branche nun auch für sich beanspruchen. Dabei soll Kunden gegenüber das Gefühl vermittelt werden, dass Produkte und Dienstleistungen individuell für sie erstellt, konfiguriert und kombiniert werden, während die Produktion auf Standardkomponenten aufbaut, die in optimierten Produktionseinheiten sozusagen am Fliessband hergestellt werden.

Die Integration verschiedener TK-Leistungen wie Voice, Data oder TV in Produkte und Dienstleistungen erfordert eine hohe Interoperabilität sämtlicher Komponenten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem serviceorientierten Unternehmen, da diese Komponenten entsprechend als Dienste aufgefasst werden. Durch die Zusammensetzung und Orchestrierung von wiederverwendbaren Basisdiensten können höherwertige Services geschaffen werden, die sich rasch, kosteneffizient und flexibel bereitstellen lassen. Die Anforderungen, die dabei an die verwendeten  Betriebsunterstützungssysteme – Operations Support Systeme (OSS) und Business Support Systeme (BSS) – gestellt werden, sind immens: Benötigt werden ein hoher Grad der Prozessautomatisierung, eine kurze Time to Market, tiefe Betriebskosten und der Einbezug des Kunden in die Wertschöpfungskette.

Lingua franca der Telekommunikation

Mit serviceorientierter Architektur (SOA) allein lassen sich noch keine entscheidende Wettbewerbsvorteile im Kampf um die Gunst der Kunden erzielen. Geschäftsprozesse der Marktteilnehmer basieren auf Daten aus unterschiedlichen Quellen. Deshalb ist für den Informationsaustausch ein standardisierter Datentransfer nötig. Mit der Frameworx-Suite der internationalen Arbeitsgruppe TeleManagement Forum (TM Forum) liegt ein Referenzmodell für Prozesse, Informationen/Daten, Applikationen und Integration vor. Es definiert eine gemeinsame Sprache zwischen IT und Business und wird von rund 90 Prozent der weltweit grössten Telcos unterstützt. Frameworx dient dazu, das operative Geschäft zu beurteilen und wirksam zu verbessern. Innerhalb der Suite werden verschiedene Teilziele mit unterschiedlichen Vorgehensweisen verfolgt und dargestellt: Die Automatisierung von Geschäftsprozessen etwa erfolgt über die enhanced Telecom Operations Map (eTOM), für das generische Informations- und Datenmodell kommt das Shared Information & Data Model (SID) zum Zug.

SID deckt alle Informationen und Daten ab und definiert, was zur Implementierung der Geschäftsprozesse nötig ist. Das Modell beschreibt Businessentitäten wie Market/Sales, Product, Customer, Service, Resource, Supplier/Partner, Enterprise und Common Business, ihre Eigenschaften in Form von zugehörigen Attributen und ihre Beziehungen. Damit lassen sich die Risiken und Kosten für die Integration von OSS-/BSS-Lösungen reduzieren. Mithilfe von SID und SOA können die verschiedenen an der Umsetzung eines Kundenwunsches beteiligten Organisationseinheiten leichter voneinander entkoppelt und damit eine schnelle Markteinführung von neuen Produkten und Dienstleistungen realisiert werden.

Durchgängigkeit von Bestellung bis Produktion

Bei der Implementierung von SID und eTOM für TK-Geschäftslösungen konkurrieren mehrere Softwarehersteller von grossen ERP- und CRM-Systemen, Systemintegratoren und Infrastrukturlieferanten. Fortschrittliche Lösungen basieren auf einem zentralen Produktekatalog und dem Konzept Konfigurieren statt Codieren. Dadurch lassen sich sämtliche Aspekte eines Produktangebots ohne grossen Aufwand durch den TK-Anbieter anpassen. Diesen Ansatz hat sich die Ergon Informatik als etablierte Herstellerin und Dienstleisterin bei der Entwicklung der Taifun BSS Suite zu eigen gemacht. Um die Markteinführung (Time-to-Market) neuer Produkte zu beschleunigen und gleichzeitig die Kosten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu reduzieren, wurde bei der Umsetzung eine gesamtheitliche Sichtweise angestrebt: Dies beginnt beim spezifischen Angebot für den einzelnen Kunden und endet bei der Aktivierung der Produkte und Dienstleistungen. So können TK-Anbieter sämtliche Abläufe vereinfachen, die zur Bereitstellung einer bestimmten Dienstleistung notwendig sind, dank automatisierten Prozessen eine hohe Servicequalität liefern und gleichzeitig Fehlerquellen eliminieren.

Wichtig ist bei diesem Konzept auch die Nutzung des Internets respektive die Absicht, Kunden über sogenannte Self-Care-Portale direkt in die Wertschöpfungskette einzubeziehen. Das Portal dient nicht allein zur Erfassung von Kundendaten oder Aufträgen, sondern soll zudem als Cockpit über den Abwicklungsstand eines Auftrags informieren und den Endkunden die Möglichkeit bieten, selber Produktanpassungen vorzunehmen.

Integrierte Komplettlösung

Die Taifun BSS Suite besteht aus den fünf eigenständigen Komponenten Product Management, Order Entry, Order Management, Billing und Cost Manager. Mit den drei ersten wird ein Grossteil der Funktionalitäten für den Service-Fulfillment-Prozess eines Providers nach eTOM abgedeckt. Die weiteren Komponenten dienen dem Billing-Prozess. In der Kombination wickeln die Module flexibel den vollständigen End-zu-End-Prozess auf Kundenseite ab: vom Produktkatalog über das Kundenportal mit Bestellverarbeitung und Steuerung der Produktion sowie Inventarisierung und Reporting bis hin zur Rechnungsstellung.

Der zentrale Produktkatalog im Modul Product Management umfasst sämtliche Produktspezifikationen, Marktangebote und Geschäftsfälle. Dieser ist so ausgelegt, dass Definitionen auf allen Stufen des Produktdesigns wiederverwendet werden können. Das hilft, die Anzahl der Basis-Services zu minimieren und die Vielfalt der Varianten möglichst erst auf Stufe der Marktangebote zu spezifizieren. Zudem können alle Definitionen ohne Softwareanpassung dynamisch erweitert werden. Damit reduzieren sich die Test-, Installations- und Freigabeprozesse auf die Konfiguration des Produktkatalogs. Die Konfigurationsarbeiten können Fachabteilungen wie Marketing, Auftragsdienst und Produktion ohne zusätzlichen Programmieraufwand selber durchführen. Dank konsequenter Entkoppelung agieren die zuständigen Organisationseinheiten unabhängig.

Order Entry ist ein vollständig integriertes Web-Portal, über das Endkunden selbstständig Produkte eines Serviceproviders auswählen, konfigurieren und bestellen. Das Portal nimmt Produktspezifikationen und Marktangebote über standardisierte Schnittstellen aus dem Produktkatalog und berücksichtigt ihre technische und kommerzielle Verfügbarkeit. Die Regeln für die Steuerung der Prozessschritte zur Erfassung einer Kundenbestellung liefert ebenfalls der Produktkatalog. Es kann nur bestellt werden, was gemäss den hinterlegten Regeln validiert wird. Ein Produktmanager ist damit in der Lage, sowohl den Ablauf der Eingabeschritte als auch die Anzahl und Art der Eingabefelder der einzelnen Bestellschritte selber zu definieren. Order Entry erzeugt aufgrund dieser Definitionen aus dem Produktkatalog dynamisch die benötigten interaktiven Web-2.0-Elemente für das Web-Portal. Der Kunde wählt und konfiguriert die angebotenen Produkte und legt sie anschliessend im Warenkorb ab. Daraus erfolgt dann die eigentliche Bestellung in Form eines Kundenauftrags. Das Web-Portal kann auch zur internen Auftragserfassung bei einem Serviceprovider eingesetzt werden. Darstellung und Ablauf einer Auftragserfassung passen sich flexibel den individuellen Anforderungen an.

Die erstellten Auftragsstrukturen werden darauf dem nachgelagerten Bestell- und Auftragsverarbeitungsprozess Order Management übergeben, in Services sowie Ressourcen zerlegt und den verschiedenen Factories zur Produktion zugewiesen. Die Dekompositionsregeln, die Ablaufsteuerung oder Orchestrierung in Form von Prozessmodellen und die Regeln für die Factory-Zuteilung werden vom Produktkatalog bereitgestellt.

Die übrigen Komponenten der Suite dienen dem Billing-Prozess. Billing unterstützt die Leistungsabrechnung und deckt den gesamten Prozess vom verrechenbaren Event bis zur gedruckten oder elektronischen Rechnung ab. Mit dem Cost Manager kann der Serviceprovider seinen Kunden ein umfangreiches Angebot aus Rechnungspräsentation, Rechnungsanalyse und Kostenverwaltung für konvergente Dienstleistungsabrechnungen zur Verfügung stellen.

Fazit

Die Verwendung von SOA und SID bringt TK-Anbietern klare Vorteile im wirtschaftlichen Bereich wie auch bei der Systemintegration. Erstens können damit Produkte und Dienstleistungen schneller entwickelt und auf den Markt gebracht werden, zweitens lassen sich Systemkomponenten rascher, einfacher und kostensparender integrieren, da sie auf Standards beruhen.

Indem Anwender in die Wertschöpfungskette eingebunden werden, kann ihnen ein echter Mehrwert in Form zusätzlicher Serviceleistungen geboten werden. Für Anbieter wiederum wird die Flexibilität erhöht, um auf veränderte Anforderungen von Anwenderund Unternehmensseite zeitnah zu reagieren. Zusätzlich ergeben sich dank automatisierten Abläufen durch die Verbesserung des Services Wettbewerbsvorteile. Mögliche Fehlerquellen werden so reduziert, der Kundendienst entlastet und Kosten gespart.

Dominik Moser leitet die Abteilung Telecom Solutions des Zürcher Softwareunternehmens Ergon Informatik. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die Bereiche Service Fulfillment und Billing.